Auszug aus dem Sonderdruck der "Heimatblätter", Organ des Heimatbundes der Grafschaft Schaumburg, Beilage der Schaumburger Zeitung, Rinteln a. d. Weser Ausgabe Nr. 19 v. Freitag, 13. Mai 1932

 

Exten"In diesen Tagen wird die alte Gastwirtschaft "Zur Post" abgebrochen. Das alte, enge, neuzeitlichen Anforderungen an Geräumigkeit nicht mehr entsprechende Gebäude soll durch einen Neubau ersetzt werden, der bei modernen technischen Einrichtungen doch wieder den gemütlichen Charakter des alten, traulichen Gasthauses erhalten soll. Was über die Geschichte der weit und breit im Weser- und Extertal bekannten Gastwirtschaft zu erfahren war, dürfte alte und junge Gäste interessieren, besonders die Einwohner Extens, die in der gemütlichen, getäfelten Gaststube manche frohe Stunde verlebt haben.

Das Haus Exten Nr. 40, in dem sich die Gastwirtschaft befindet, wurde zum ersten Male erbaut von Conrad Schneegans, und zwar im Jahre 1722 auf einem von der Gemeinde erworbenen, bis dahin wüst gewesenen Stück Bodens, dem sog. Triesch. Ob schon Conrad Schneegans in diesem ersten Hause eine Schankwirtschaft betrieben hat, ließ sich nicht feststellen, sicher ist nur, dass er an der Straßenecke südlich vom Hause, wo jetzt der Saalbau steht, eine Schmiede einrichtete. Schneegans starb schon vor 1754 und hinterließ eine Tochter Charlotte, die sich mit Wilhelm Friedrich Frewert verheiratete, der aus dem Lippischen, vermutlich aus Almena stammte. Diese beiden bauten im Jahre 1759 das Haus, das jetzt abgerissen wird.

Wilhelm Friedrich Frewert war bestimmt schon Gastwirt; eine Notiz im Lager-, Stück- und Steuerbuch von 1782 weist nach, dass er damals wie auch der Wirt des alten Kruges (Nr. 6) jährlich 4 Reichstaler Krugzins entrichtete. Er starb 1789. Von seinen Söhnen übernahm der ältere Georg Wilhelm, die Gastwirtschaft und Schmiede, während der jüngere, Karl Friedrich, auf die Hofstelle Nr. 19 zog, die von Wilhelm Friedrich Frewert erworben und ebenfalls mit einer Schmiede verbunden war. In der Folgezeit, wohl noch zu Lebzeiten Georg Wilhelms, ging die Schmiede auf der Stelle Nr. 40 ein.

ExtenAuf Georg Wilhelm Frewert folgte sein Sohn Hans Heinrich, der die Gastwirtschaft aber schon 1841 an August Heinrich Halberstadt veräußerte. Bereits 1844 wechselte sie aufs Neue ihren Besitzer; der 1809 in Liese geborene Gastwirt Heinrich Christoph Rode erstand sie. 1867 trat dessen Sohn den Besitz an, nach ihm sein Sohn, ebenfalls mit Namen Heinrich, der 1917 starb. Nach seinem Tode führte zunächst die Witwe den Betrieb weiter, verkaufte ihn jedoch an den jetzigen Besitzer Wilhelm Stock aus Exten Nr.89.

ExtenDas alte Gasthaus trug einen der schönsten Fachwerkgiebel Extens, der dreimal vorkragte und auf der Setzschwelle der untersten Überkragung von einer langen Inschrift geziert war. Herr Stock hat sich zur Freude aller Heimatfreunde entschlossen, das noch gut erhaltene eichene Fachwerk des alten Giebels bei dem Neubau wieder zu verwenden und dadurch vor allem die kunstvoll geschnitzten Inschriftbalken der Nachwelt zu erhalten. Der neue Giebel wird sein Gesicht der Strasse zukehren und nach der Ausmahlung ein Schmuckstück des Dorfes werden.

Bei den Abbrucharbeiten wurden unter der Verschalung der Fenster des Unterstockes an der Giebelseite noch eine Inschrift gefunden, die allerdings früher einmal weggehauen ist, sich aber vielleicht noch wiederherstellen lässt. Die vollständige Inschrift, die dann hoffentlich in ganzer Länge die beiden Setzschwellen des nur zweimal vorkragenden neuen Giebels zieren wird, lautet:

"IN DEINEM NAMEN UND MIT DIR - DIESES HAUS BEWOHNEN WIR - ACH GOT GIB GLÜCK GIB DEINEN SEGEN - SEI STETZ BEI UNS AUF UNSERN WEGEN - BEHUETE HER FÜR WASSERFLUHT - FÜR DIEBSTAHL UND FÜR FEUERSGLUT - BREIT AUS DIE FLÜGEL DEINER GNADE - SO KANN KEIN MENSCH NOCH TEUFEL SCHADEN - ERBAUT DURCH WILHELM FRIDERICH FREWERT UND SCHARLOTTE SCHNEEGANDTEN ANNO 1759"

ExtenDie Inschrift, die längste aus Exten bekannte, weicht von den anderen Haussprüchen, meist Bibel- oder Psalmversen, auffallend ab, weil sie von menschlichen Bedrängnissen berichtet, denen die Einwohner Extens damals in besonderem Ausmaße ausgesetzt waren. "Wasserflut"! Die Exter überschwemmte oft in wenigen Minuten tückisch das ganze Dorf; 1837 drang infolge eines Wolkenbruches das Wasser sogar in das obere Stockwerk des Gasthauses ein. Die Fürbitte war also nur zu berechtigt. "Diebstahl"! Zwei Jahre vor dem Bau, 1757, belagerten die Franzosen die Festung Rinteln und hausten auch in Exten schlimm. Wahrscheinlich hatte auch Wilhelm Friedrich Frewert Haare lassen müssen. "Feuersglut"! Um die Mitte des 18. Jahrhunderts sind eine Menge Brandfälle aus Exten bekannt; so brannten 1737 drei Höfe in einer Nacht ab. Vielleicht fraßen die Flammen auch Frewerts Haus, und wenn nicht- die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges waren noch in deutlicher Erinnerung und mahnten zur Vorsicht und Fürbitte. 

Feuersglut ist dem alten Haus von 1759 erspart geblieben, von Wasserflut und auch wohl von Diebstahl blieb es noch verschont. Dem Neubau von 1932 und seinem im ganzen Dorfe in hohem Ansehen stehenden Besitzer aber wünscht man gern, dass sie beide vor jeglichem Unheil bewahrt bleiben mögen."