Immer wieder kam es in der Geschichte zu Auswanderungen aus wirtschaftlichen, religiösen oder politischen Motiven sowie aus persönlichen Gründen. 1845–1855 löste eine anhaltende Wirtschaftskrise die größte Massenemigration des 19. Jahrhunderts aus. In der Zeit richteten sich die Auswandererströme fast ausnahmslos auf die Vereinigten Staaten. Dort wurden weite Landstriche erschlossen und besiedelt, indem man die eingeborenen Indianer bekämpfte und vertrieb. Einen zusätzlichen Anreiz zur Auswanderung bildeten die Nachrichten von Goldfunden in Kalifornien seit 1848, die den kalifornischen Goldrausch auslösten. Hier möchten wir von diesen Auswanderern berichten.


 

Friedrich August Requardt  (geb. 09.11.1835 in Exten, gest. 15.04.1910 in Dayton Ohio)

ExtenFriedrich August Requardt wurde am 9. November 1835 als siebter von neun Kindern in Exten geboren. Seine Eltern waren Johann Heinrich und Maria Katharina Requardt. Fünf Jahre nach dem Tod der Mutter verließ Friedrich August, im Alter von 11 Jahren, mit seinem Vater und sieben anderen Familienmitgliedern Exten am 22. September 1847 an Bord der Bark Anna.

Das Schiff kam in einen starken Sturm und musste den Kurs Richtung Süden ändern. Neun Wochen dauerte diese stürmische Irrfahrt über den Atlantik. Am 8. Januar 1848 erreichte die Bark sicher New York.  In Dayton, Ohio gründete die Familie eine Farm und änderte ihren Namen in die etwas amerikanische Form "Requarth." Am 26. Februar heiratete der Vater "Fredericka Stock", die ebenfalls mit der Bark Anna gekommen war.

1852 verließ Friedrich August die Farm, um eine Lehre als Holzdrechsler bei "Blanchard & Brown Co" zu absolvieren. Am 3. August 1857 heiratete er Regina E. Hüffelmann, die in Hannover geboren war. 1860 eröffnete er seine eigene Fabrik. Das Kerngeschäft waren Treppen und Geländer. Am 25. April 1870 starb Regina. Nach 4 Jahren und schwerer Krankheit heiratete Friedrich August die 19 Jahre alte Deutsche Auguste Matilda Klawon. 1895 wurde ein neuer Firmanstandort gegründet.

Zu den wohl prominentesten Kunden gehörten Orville and Wilbur Wright. Die Brüder kauften dort Leisten und weitere Holzteile für ihre ersten Flugkonstruktionen. Die Brüder Wright waren US-amerikanische Pioniere des Flugzeugbaus, die nach zeitgenössischer, heute jedoch nicht unumstrittener Ansicht die ersten gesteuerten Motorflüge der Welt durchführten. Am Vormittag des 17. Dezember 1903 war es dann so weit, Orville Wright eroberte mit dem "Flyer" die Lüfte. Er war 12 Sekunden lang in der Luft und legte dabei 37 m zurück (10,8 km/h). Unmittelbar folgte Wilbur, jeder flog an diesem Tag zweimal. Einen Monat später trafen sich die Brüder Wright und Friedrich August Requarth das erste mal. Eine Windböe hatte den ersten "Flyer" nach nur wenigen Flügen zerstört. Mit Hilfe der Erfahrung von Friedrich August im Holzbau versuchte man einen etwas stabileren Flugapparat zu konstruieren. Am 19. Januar 1904, nur einen Monat nach dem historischen Flug auf dem Feld in Kitty Hawk, schrieb Orville Wright in sein Tagebuch: "Kaufte heute Holz (Rottanne) für Rippen und Stützen von Requarth Co." Daraus wurde der Wright Flyer II. Dieser hielt dann 105 Flüge. Weitere Verbesserungen und Erfahrungen flossen in den Wright Flyer III ein, der 1905 mit Requarth Material gebaut wurde. Am 04. Februar 1908 kauften die Brüder Wright nochmals erhebliche Mengen Holz bei Requarth. Sie bauten unter anderem einen Flyer III als Testflugzeug für die US-Army. Dies wurde das erste Militärflugzeug der Vereinigten Staaten, gebaut mit Hilfe eines ehemaligen Exter Bürgers.

1910 leitet F. A. Requarth seine Firma bald 50 Jahre. Er stirbt nach kurzer Krankheit am 15. April 1910, 2 Tage nach seiner letzten Direktionsbesprechung. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Henry William, der 1888 in die Firma eingetreten war. Seit Januar 1994 wird die Firma von Alan Pippenger geleitet. er ist Sohn von James und Louise Requarth Pippenger.

Auch heute noch ist "Requarth Lumber" in 447 East Monument Avenue, Dayton Ohio ein erfolgreiches Unternehmen. Vielen Dank an Alan Pippenger für ein Exemplar der Firmenchronik.

 


 

Friedrich Wilhelm Stock (geb. 31.05.1837 in Exten, gest. 25.11.1898 in Paradise Valley, Nevada)

William StockFriedrich Wilhelm wurde als Sohn des Messerschmiedes Hans Heinrich Stock und Luise Henriette Bünte in Exten 35 (heute Mittelstraße 10) geboren. Er heiratete Wilhelmine Wehage am 25. Januar 1880 in Exten. Wilhelmine Marie Ernestine Wehage wurde am 27. Februar 1845 in Eisbergen geboren und wohnte später in Strücken Nr. 6. (Quelle: Kb. Exten Trauungen 1880 S. 125) Stock war Gründer der sog. "Ninety-Six Ranch". 1853 brach Stock seine Lehre als Schuster in Exten ab und ging nach New York. Er reiste weiter nach Dayton, Ohio, wo er als Helfer eines Böttchers tätig war. 1857 zog ihn der Goldrausch nach Kalifornien. Er zog über New Orleans um Kap Horn nach San Francisco. In Kalifornien arbeitete er auf den Goldfeldern am Nordufer des Sacramento River. Dort war er sehr erfolgreich. 1860 kaufte er 2 Fuhrwerke und 12 Ochsen und Extengründete eine Frachtgesellschaft. Die Gesellschaft brachte Ware von Red Bluff, dem nördlichsten Dampfschiffhafen des Sacramento River, zu Minen in Südwest Idaho. Eine Route führte durch Paradise Valley, wo er freies Farmland sah. Dort siedelte er 1864. Die Siedler dort litten bis 1868 unter häufigen Indianerüberfällen. William Stocks Beziehungen zu den Indianern wurden als durchaus positiv beschrieben. 1942 berichten  Familienmitglieder in  einem Artikel im "Pacific Stockman" von Stocks Umgang mit dem Indianeraufstand von 1865: "Er blieb auf seinem Anwesen. Als die Indianer kamen schlachtete er ein Rind und bot es den Indianern an." ("Ranching in Paradise." Pacific Stockman VIII, 10. Oktober 1942, Seite 8) Andere waren den Indianern feindseliger gesonnen. Deshalb wurde  1866 das Kavallerie-Fort "Camp Winfield Scott" gegründet.

Stocks erste Behausung war ein Rasen/Erdhaus. Alles Notwendige wurde von Unionville, Nevada, über 150 Meilen hergebracht. Als die Eisenbahn in der Nähe verlegt wurde, baute Stock ein Holzhaus. Fort Scott bot einen guten Absatzmarkt für Stocks Produkte (Getreide und Rinder). Nach der Gründung von Fort McDermitt konnte er einen Liefervertrag mit dem Fort erreichen.

ExtenExtenStock setzte nun neben dem klassischen Getreideanbau auch auf Pferdezucht. 1881 erschien im "Myron Angel's 1881 History of Nevada" eine Lithografie der mittlerweile bedeutenden Stock-Ranch zusammen mit Illustrationen und Biografien. 1879 reiste Stock zurück nach Deutschland und heirate Wilhelmine Wehage aus Strücken. Im darauffolgenden Jahr ging sie mit nach Nevada. Von sechs geborenen Kindern überlebten vier: William F. (1881), Minnie (1882), Elizabeth (1884), and Edith (1886). Stocks Farm produzierte nun Rinder, Pferde, Gänse, Hühner und Getreide. Zwischen 1880 und 1890 investierte er in eine Bank in Winnemucca und eine Mühle. Er war aktiv im Gemeindeleben und der örtlichen Politik. Er half seinem Bruder, Heinrich Edward, und seinen Schwestern, Louise Wilhelmine, Justine Carlena und Louise Pauline Sophie beim Auswandern nach Amerika.

ExtenExtenStock starb 1898. Kurz vor seinem Tod besuchte er noch seine Verwandten in Exten. Seine Witwe führte die Ranch weiter als " William Stock Farming Company". Bei ihrem Tod am 7. März 1910 hatte die Farm 3.000 Rinder, 6.000 Schafe, 1.000 Pferde und 17.560 Morgen Land. Sie ist noch heute im Besitz der Nachfahren (Fred und Kris Stewart).

 

 

Quelle: http://memory.loc.gov/ammem/collections/buckaroos/crhist.html

In einer Email schrieben Sie: "Fred is William Stock's great grandson. We still live on and operate the same ranch in Paradise Valley that William Stock founded here in 1864. Our daughter, Patrice Stewart is the fifth generation of direct Stock/Stewart descendants to live on this ranch. She is 10 years old....We also have contact with other Stock family descendants who sprang from siblings of William Stock who also immigrated here.....Our ranch is about 10.000 acres here in Paradise Valley and about 17.000 acres total including our mountain lands.  It is long and thin. About 13 miles long and between 1-2 miles wide. It runs along Martin Creek on the east side of Paradise Valley."

 


 

Arnold Hopf  (geb. 1877 in Exten, gest. 1911 in Brasilien)

ExtenExtenArnold Hopf (hier links im Bild) wurde als Sohn des Bankiers Hugo Hopf und seiner Frau Anna geb. Heinz in Exten geboren. Das Haus in dem die Famile wohnte ist heute Uchtdorfer Strasse 4. Arnold machte eine Lehre als Uhrmacher. Als Gesellenstück am Ende der mehrjährigen Ausbildung musste er eine Uhr aus Rohmaterialien  anfertigen. Arnold war geschickt und es fiel ihm leicht, das Zitherspiel zu erlernen. Der junge Arnold war unternehmungslustig und versuchte sein Glück in verschiedenen waghalsigen Hobbys. Um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts fuhr er einige der ersten Motorradrennen. Vermutlich waren die meisten dieser Rennen illegale ExtenStraßenrennen. Bei einem dieser Rennen liefen 2 Kinder auf die Fahrbahn und wurden von ihm getötet. Er selbst wurde schwer verletzt. Nun versuchte er sein Glück als Ballonfahrer. Er nahm an Heißluftballonwettfahrten teil. Arnold Hopf kam über die Ballonfahrt zur Motorfliegerei. Zwischen 1905 und 1910 hatte er bereits Flugerfahrung mit Motorflugzeugen gesammelt. Arnold muss außerdem sehr geschäftstüchtig gewesen sein. Er führte bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts ein Uhrengeschäft in Amsterdam. Er verließ aus irgendeinem Grund seine Frau und seinen Sohn und segelte am 2. September 1910 an Bord der Frisia von Southampton nach Buenos Aires. ExtenVermutlich stieg er in Rio de Janeiro von Bord. Es ist noch bekannt, dass er ein Uhren- und Juweliergeschäft an der Praca da Republica 13 in Rio de Janeiro hatte. 1911 erhielt die Familie Hopf, als einzige Nachricht aus Brasilien überhaupt, die Nachricht vom Tode Arnolds. Er war bei einem Flugzeugabsturz 1911 ums Leben gekommen. Er wurde nur 34 Jahre alt. Arnold Hopf gilt heute als Pionier der Brasilianischen Luftfahrt....demnächst mehr....

 


 

Die 1837 in Bremen Vegesack vom Stapel gelaufene Bark "Anna" fuhr im Dienst der Firma E. Hoffschläger & Co. Passagiere und Fracht nach Amerika und West Indien. Sie war ein typisches Auswandererschiff dieser Zeit. Laut den unten stehenden Papieren verließ sie Bremen und kam am 10. Januar 1848 in New York City an, lt. Schiffsliste vermutlich mit Personen aus Exten. (Allerdings wurde in der Liste nur Preussen, Hessen, Bayern oder eben Schaumburg Lippe vermerkt.) Es finden sich hier Namen wie Teigeler, Stock, Requardt, Brockmeier und Kronenberg.

 

ExtenExten

 

Passagierlisten der Bark Anna mit Extener Auswanderern

 

Vielen Dank an Barbara Wardenburg, Alan Pippenger, Fred und Kris Stewart, Ralph Cooper und Cliff Hopf  aus den USA für die Hilfe an diesen Berichten.