Zur Ur- und Frühgeschichte Extens
Exten gehört zu den größten und ältesten Dörfern im Wesertal zwischen Hameln und Minden. Seine Geschichte wie auch sein Name ist sind eng mit der Exter verbunden, die hier aus dem Lippischen Bergland kommend den Ort durchfließt und unterhalb, bei Rinteln, in die Weser mündet. Durch urkundliche Nennung und historische Überlieferung lässt sich die Geschichte Extens bis in die Zeit der Christianisierung zurückverfolgen. Damals wurde die besondere Bedeutung und Lage des Ortes durch den Bau einer eigenen Kirche unterstrichen. Die Zahl und Größe der Höfe, der umfassende adlige und kirchliche Besitz sowie ein Gogericht lassen im Mittelalter erkennen, dass die Siedlung strategisch und wirtschaftlich bedeutend war.
Doch was wissen wir über die Jahrhunderte und Jahrtausende bevor Exten erstmals schriftliche Erwähnung fand? Die mittelalterliche Ersterwähnung eines Ortes sagt stets mehr über die Entwicklung der Schriftlichkeit aus als über das Alter einer Siedlung.
Angesichts der vorteilhafte Lage des Ortes im Wesertal am Rand des Schwemmfächers der fischreichen Exter kann es als sicher gelten, dass dieser Platz schon sehr früh durch Menschen bewohnt oder regelmäßig aufgesucht wurde. Dennoch ist im Gegensatz zur historischen Überlieferung die archäologische Fundsituation für Exten bemerkenswert dürftig. Immerhin verweisen vereinzelte Zeugnisse menschlicher Besiedlung in die vorrömische Eisenzeit, doch bleiben wir für ein umfassenderes Bild auf Funde in der näheren und weiteren Umgebung des heutigen Dorfes angewiesen.
Altsteinzeit
Zwischen den letzten beiden Eiszeiten, im Eem-Interglazial, vor rund 80.000 durchstreiften Jägergruppen die baumlose Tundrenlandschaft an der Weser. Es handelte sich um Neandertaler, deren Lagerplätze mit Knochen von Mammut, Wollnashorn, Steppenbison und vor allem Rentieren übersät waren. Solche Lagerplätze wurden auch wiederholt bei den Auskiesungen im Wesertal zwischen Großenwieden und Rinteln entdeckt, doch kam es nie zu einer ausführlichen, wissenschaftlichen Dokumentation.
Mittel- und Jungsteinzeit
Am Ende der letzten Eiszeit vor rund 11.000 Jahren zogen Menschengruppen der sogenannten „Ahrensburger Kultur“ durch die Täler des heutigen Schaumburger Landes bis vor rund 10.000 mit der fortschreitenden Klimaerwärmung eine zunehmende Verbuschung und Bewaldung begann. Statt Mammut und Rentier setzte sich nun standorttreues Wild wie Elch, Hirsch und Auerochse durch, dem die Menschen nicht mehr folgen mussten. Der Übergang zur bäuerliche Lebensweise erfolgte in unserer Gegend, vom Nahen Osten aus fortschreitend vor rund 7.000 Jahren. Dabei kam den guten ackerbaulichen Lagen beiderseits der Weser besondere Bedeutung zu. Hier entwickelten sich auf eiszeitlichen Sandzusammenwehungen fruchtbare Lößböden, die die Landwirtschaft begünstigten. Fischfang in Exter und Weser sowie vorteilhafte Jagdgebiete an den Steilhängen des Wesergebirges und des Taubenberges ergänzten das Nahrungsangebot.
Anders war die Situation in den sandigen und moorigen Landschaften des angrenzenden norddeutschen Tieflandes, wo die dauerhafte Besiedelung deutlich später begann, sodass das heutige Schaumburger Land lange Zeit durch eine weithin menschenleere Wildnis von den Küstengebieten getrennt war.
Die meisten aus dieser Epoche dokumentierten Funde traten am breiteren Nordufer der Weser zu Tage, so etwa die Fundplätze der Trichterbecherkultur aus der Zeit vor rund 6.000 Jahren bei Schaumburg, Ahe und Rinteln. Eines der bedeutendsten Fundstücke dieser Epoche in der ganzen Region ist das große Prunkflachbeil, das 1975 bei Strüvensiek zwischen Exten und Krankenhagen gefunden wurde. Es lag in einer hortähnlichen Ansammlung mit anderen Beilen jungsteinzeitlichen Beilen und gehört zur selben Trichterbecher-Kultur, die im norddeutsch-skandinavischen Raum (u.a. auch bei Rodenberg) markante Großsteingräber errichtete. Auch das im 19. Jahrhundert zerstörte Megalithgrab bei Rodenberg und das 1929 entdeckte Steinkistengrab bei Rohden gehören dieser Kultur an.
Bronze- und Eisenzeit
Schon in der Jungsteinzeit spielte die Weser als Verkehrsweg eine nicht unerhebliche Rolle. Sie ermöglichte den Warentransport die Heide- und Moorlandschaften Nordwestdeutschlands in die fruchtbaren Marschgebiete an der Nordseeküste. In der nun anbrechenden Bronzezeit blühte der Handel mit dem an Zinnvorkommen reichen Britannien auf. Die Fluss- und Küstenschiffahrt gewannen weiter an Bedeutung. Zugleich etablierten sich feste Handelswege in ost-westlicher Richtung entlang der Mittelgebirgschwelle von Wiehen- und Wesergebirge. Sie verbanden die dicht besiedelten Bördelandeschaften des nördlichen und östlichen Harzvorlandes mit den Siedlungsgebieten am Niederrhein.
Auch aus der folgenden Eisenzeit sind keine baulichen Siedlungsspuren in der Umgebung Extens bekannt. Umso zahlreicher finden sich jedoch Urnenfriedhöfe und Hügelgräber der Einzelgrabkultur. Der Friedhof am Nottberg bei Krankenhagen ist einer der größten seiner Art in Niedersachsen und lässt in Verbindung mit dem Gräberfeld auf dem Stierbusch in der Rintelner Nordstadt auf eine vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte schließen.
Erstaunlich ist, dass in Exten selbst, anders als etwa im benachbarten Strücken, bislang nur ein einziger prähistorischer Fund dokumentiert werden konnte. Im Frühjahr 1957 wurden bei Ausschachtungsarbeiten auf dem Hof Nr. 1, zwischen den Holzkohlenresten einer Feuerstelle Keramikscherben von mindestens sieben Gefäßen entdeckt, ein Fund, den man heute der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (400 v. Chr – 0) zuordnet. Es handelt sich bis in die Gegenwart um den einzigen sicheren Nachweis, dass in der heutigen Ortslage Exten bereits in germanischer Zeit Menschen lebten. Die Siedlung, mitten im Kernland der Cherusker, lag unmittelbar am Rand der Niederterrasse über dem Weseraltarm, der heute noch in Gestalt des Margarethengrabens erkennbar ist. Nur 50 Meter von hier entfernt entstand um 800 die Extener Kirche.
von Dr. Stefan Meyer