Erinnerung an Hella Meyer
Der Friseursalon von Hella Meyer war der soziale Treffpunkt für viele Menschen in Exten. Erinnerungen an eine besondere Frau und ihr bewegtes Leben.
Hans Weimann – sz -10.01.2024
Exten. Die Bedeutung der Ankündigung „Ich gehe mal eben zu Frau Meyer“ musste man in Exten, Strücken und Hohenrode früher nicht weiter erklären. Das stand für: „Ich lasse mir die Haare schneiden.“ Wahrscheinlich jeder zweite Einwohner von Exten, Strücken und Hohenrode hat schon irgendwann in ihrem Friseursalon gesessen. Viele waren Stammkunden.
„Frau Meyer“, die mit Vornamen Hella hieß, hantierte noch jenseits der 80 souverän mit Haarschneidemaschine, Schere und Rasiermesser. Und ihr Salon war unschlagbar preiswert. Einen Herrenschnitt für 6,50 Euro gab es nirgends sonst, Damen zahlten je nach Frisur ab 8,50 Euro.
Friseursalon als sozialer Treffpunkt: Hella Meyer in Exten
Hella Meyer hatte keinerlei Vorurteile. Gegen niemanden und gegen keinen noch so seltsamen Trend in der Haar-Mode. Sie verpasste, wenn gewünscht, jungen Rebellen einen Irokesenschnitt oder färbte Strähnchen, auch lila und grün. Gesetzte Damen bekamen ihre Dauerwelle oder, ganz modern, einen Trockenschnitt. Ein junger Extener türkischer Abstammung soll sie in seinem Sportwagen manchmal spazieren gefahren haben.
Ihr Schwiegersohn Jürgen Stork, Maschinenbauingenieur in Bückeburg, sagt: „Sie war weltoffen und allen zugewandt.“ Ihr Friseursalon war auch ein sozialer Treffpunkt und eine Nachrichtenbörse: waschen, schneiden, föhnen, plaudern. Carla Friedrich, eine ihrer Stammkundinnen, erzählt, mit ihr habe man über Gott und die Welt reden können. Und sie habe ein Gespür dafür gehabt, wenn Kunden etwas hätten loswerden wollen.
Hella Meyer starb am 8. Oktober 2022 im Alter von 83 Jahren.
Oktober 1932.Hella Meyer starb am 8. Oktober 2022 im Alter von 83 Jahren, war aber auch im hohen Alter noch als Friseurin tätig.
© Quelle: Hans Weimann
Teile der Einrichtung ihres Damensalons sind nach Berlin gegangen, Teile der Ausstattung des Herren-Salons stehen jetzt in der Heimatstube in Exten. Horst Vöge, langjähriger Vorsitzender des Heimatvereins, erzählt, er habe bis Sommer 2022 regelmäßig in dem Hydraulikstuhl aus den 50ern gesessen, der im Museum stehe. Bereitwillig ließ er Angelika Keßler, die selbst gelernte Friseurin ist, demonstrativ im Museum das dort ausgestellte Handwerkszeug von Hella Meyer testen. Erkenntnis: Es funktioniert noch einwandfrei, sogar die Scheren sind noch scharf.
Schon Hella Meyers Vater, Josef „Jupp“ Liggesmeier, war eine Legende. Er gehörte zu den Mitbegründern der Panzergruppe der Schützengilde Exten und war von 1959 bis 1964 deren Kommandeur.
Seine männliche Kundschaft, so erzählt man im Dorf, habe es nie besonders eilig gehabt, denn bei Liggesmeier habe man während der Wartezeit das eine oder andere Bierchen trinken können. Hella habe das allerdings nie gerne gesehen, erzählt Schwiegersohn Jürgen Stork.
Der Meisterbrief von Josef Liggesmeier hängt im Museum: Ausgestellt 1940 von der Handwerkskammer in Düsseldorf, ebenso die Goldene Ehrennadel, die ihm für besondere Verdienste im Handwerk verliehen worden ist. Die „Büste“ des Friseurausstatters und Kosmetikunternehmens L‘Oreal aus Paris erinnert an die Eröffnung des Friseursalons am 1.Oktober 1932.
Hella Meyers alter Salon. Teile davon werden künftig in der Heimatstube in Exten ausgestellt.
© Quelle: Hans Weimann
Hella Meyer hat ihren Meisterbrief 1966 erworben und durfte damit auch ausbilden. Auch dieser ist im Museum archiviert. Im Prüfungsausschuss saß damals auch Ulla Brinkmann, ebenfalls Friseurin. Sie wohnt noch heute in Exten, ist 93 Jahre alt und war Jahrzehnte lang im Museum tätig, wo sie für Ordnung und Sauberkeit gesorgt hat.
Ulla Brinkmann war 15 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester aus Westpommern fliehen musste. Das Friseurhandwerk hat sie dann in Rinteln bei Adolf Wruck gelernt.
Privat hatte Hella Meyer ein tragisches Schicksal zu bewältigen, das ihr aber nie den Lebensmut geraubt hat. Sie heiratete einen Friseur, die Ehe scheiterte, und so führte sie das Geschäft mit ihrem Vater weiter. Der Friseursalon war ihr Leben. Ihre Tochter starb 2019 im Alter von 57 Jahren nach langer Krankheit. Dafür kümmerte sich der Schwiegersohn immer liebevoll um seine Schwiegermutter. „Und sie sich um mich“, sagt Stork. „Sie kam zweimal in der Woche zu mir und hat im Haushalt und Garten geholfen.“
Schneiden immer noch: Die alten Scheren aus dem Friseursalon von Hella Meyer.
© Quelle: Hans Weimann
Horst Vöge kann sich vorstellen, dass man den Friseursalon mit Stuhl, Spiegel, Waschbecken und Haarschneidemaschine im Museum noch besser präsentieren könnte. Manche Geräte müssten auch beschildert und erklärt werden. Wie die Effilierscheren mit denen Haare ausgedünnt werden und der Onduliereisen-Erhitzer mit Brennscheren, der aussieht wie ein mittelalterliches Folterinstrument.
Doch für die Präsentation braucht es interessierte Helfer, die sich in der Heimatstube engagieren. Die werden vom Heimatverein dringend gesucht.
Die beiden Häuser der Familie Meyer in der Mittelstraße, ihr Wohnhaus und der einstige Friseursalon, Baujahr 1857 und 1891, stehen zum Verkauf.
SZ/LZ